Forschungsinstitut für Nachhaltigkeit Helmholtz-Zentrum Potsdam

COP28 in Dubai: Grüner Schein oder ernsthafte Ambitionen?

21.12.2023

Felix Beyers

Dr. Felix Beyers

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Thomas Bruhn

Dr. Thomas Bruhn

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Niko Schäpke

Niko Schäpke

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Beleuchtete Kuppel bei der COP28 in Dubai.
Beleuchtete Kuppel bei der COP28 in Dubai.

Von Felix Beyers, Thomas Bruhn, Carolin Fraude, Niko Schäpke, Nico Herzog (alle RIFS) und Jeremy Dommnich (Clingendael Institute)

Die Einigung auf der jüngsten COP28-Konferenz wird als eine neue Ära der Energiewende gefeiert. Der Guardian betitelt das Ergebnis bereits als historische „Grundsteinlegung für die Abkehr von fossilen Brennstoffen“. Gleichzeitig werden kritische Stimmen von indigenen Bevölkerungsgruppen und Umweltorganisationen lauter und bezeichnen die Veranstaltung als „Business as usual“. Der Gastgeber, die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), schöpfen ihren Wohlstand hauptsächlich aus fossilen Brennstoffen und endlichen Ressourcen. Ihre Präsidentschaft sorgte daher für eine spannungsreiche Atmosphäre.

Schon bei der Eröffnungszeremonie betonte die COP-Präsidentschaft ihre Ambitionen und rief die Weltgemeinschaft dazu auf, das ehrgeizige Ziel der Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5 Grad über dem vorindustriellen Niveau weiter zu verfolgen. Trotz dieser Bekenntnisse entstand vor Ort in Dubai ein gespaltenes Bild.

Auch für uns als teilnehmende Beobachter war die Erfahrung vor Ort mit zahlreichen Spannungen und Widersprüchlichkeiten verbunden, die wir hier reflektieren möchten. Unsere Eindrücke in der Wüste des Persischen Golfs warfen für uns Fragen auf nach dem tatsächlichen Nachhaltigkeitsverständnis der dortigen Führung und den damit verbundenen Ambitionen. Die beeindruckende Anzahl von Wolkenkratzern und das Gefühl grenzenloser Ressourcennutzung verstärkten diese Ambivalenz. Die glitzernden Fassaden der Hotels und Shoppingmalls sowie omnipräsente Luxusgüter wie Sportwagen und Goldschmuck standen im Kontrast zu Vorstellungen von Ressourcenschonung oder gar Suffizienz und anderweitiger Effizienz und Konsistenzfragen geschweige denn der Einhaltung von (planetaren) Grenzen. Hierbei lässt sich gut auf die harten Fakten verweisen: Die Vereinigten Arabischen Emirate haben einen Energieverbrauch von 148.577 Kilowattstunden pro Kopf (2022 – Platz 4 aller 211 Länder oder Territorien in Bezug auf den höchsten Energieverbrauch). Zum Vergleich liegt Deutschland bei 40.977 Kilowattstunden pro Kopf und repräsentiert dabei selbst eines der Länder mit einem erhöhten Energieverbrauch (Platz 40 von 211).

In einer Stadt, die für Superlative wie das Burj Khalifa und das Burj al Arab, also das höchste Gebäude der Welt und das einzige Hotel mit sieben Sternen, bekannt ist, versprachen die zahlreichen Werbematerialien ehrliche Ambitionen. Sie vermittelten Geschichten von nachhaltigen Lösungen, intensiven Kollaborationen und heilbringenden Technologien. Riesige Werbeplakate neben der Autobahn und in leuchtenden Einkaufszentren betonten gemeinsame Anstrengungen für einen nachhaltigen Wandel. Für uns drängte sich dabei die Frage auf, ob diese Plakate speziell für die COP ausgewählt und platziert wurden bzw. inwieweit sie Ausdruck tatsächlicher Ambitionen und Aktivitäten des Staates widerspiegelten.

Auch das Veranstaltungsgelände der COP28 (das Gelände der früheren Weltausstellung Expo 2020), unterteilt in Verhandlungsräume und Ausstellungsbereiche, konfrontierte uns mit Widersprüchlichkeiten. Während die Verhandlungsräume recht zurückhaltend gestaltet waren, prangte in der „Blue Zone“ für akkreditierte Organisationen und vor allem in der frei zugänglichen „Green Zone“ für Beobachter eine Vielzahl von Slogans, die die gemeinsame und schnelle Heilung der Welt versprachen. Diese Ambivalenz zeigte sich beispielsweise in zwei Slogans: „Let's think without limit“ und „Let's keep 1.5°C within reach“ spiegeln zwei Perspektiven, die möglicherweise nicht gleichzeitig verwirklicht werden können.

Der erste Slogan, „Let's think without limit“, verkörperte die dynamische Innovationsfreude und den ungebundenen Fortschrittswillen, der oft mit Städten wie Dubai in Verbindung gebracht wird. Er reflektierte den Geist von Grenzenlosigkeit und ständigem Streben nach Höherem, charakterisiert durch imposante Architektur, futuristische Technologien und den unersättlichen Wunsch nach Wachstum. Der zweite Slogan hingegen, „Let's keep 1.5°C within reach“, drückte das dringende Bedürfnis aus, die Erderwärmung zu begrenzen – eine Zielsetzung, die nach Einschätzung von relevanten Gremien wie dem IPCC eine klare Handlungsrichtung nachhaltiger Praktiken vorsieht, einschließlich der Transformation von Lebensstilen, wobei die Begrenzung von materiellem Konsum eine entscheidende Rolle spielt.

Die Frage, ob es sich hierbei um eine authentische Überzeugung oder um eine Form des „Greenwashing“ handelte, blieb dabei für uns offen. Die beiden Slogans spiegelten jedoch die kontrastierenden Kräfte wider, die auf der COP28 präsent waren – die eine, die die unbegrenzten Potenziale und Innovationen verkörperte, und die andere, die auf die konkreten und begrenzten Maßnahmen zur Bewältigung des Klimawandels abzielte und insbesondere eine Einschränkung aktueller ressourcenintensiver Praktiken propagierte. Es war eine widersprüchliche Dualität, die nicht nur auf den Plakaten existierte, sondern auch die grundlegenden Herausforderungen verdeutlichte, vor denen nicht nur Dubai, sondern die gesamte Weltgemeinschaft in Bezug auf Nachhaltigkeit und Klimaschutz steht. Diese Spannung zwischen Nachhaltigkeitsdiskursen der ökologischen Modernisierung durch Wachstum und Innovation einerseits und den planetaren Grenzen sowie der Begrenzung des menschlichen Einflusses andererseits verdeutlichte, dass die Antwort auf die Klimakrise wohl nicht nur in innovativen Ideen und technologischem Fortschritt liegt, sondern auch in klaren, umsetzbaren Maßnahmen, die die Erde vor übermäßiger Erwärmung bewahren. Wohlmeinend ließ sich dies als eine Aufforderung interpretieren, die Widersprüche zu überwinden und Wege zu finden, wie Innovation und Beschränkung in einer harmonischeren Balance existieren können, um den drängenden Herausforderungen unseres Planeten gerecht zu werden. Ob und wie diese Verbindung tatsächlich angestrebt oder praktiziert wird, war für uns jedoch nicht einschätzbar. Es löste jedoch mindestens die Sorge aus, dass beide Pfade eher unverbunden und antagonistisch nebeneinanderher bestehen.

Nach dem Abschluss und der Einigung auf die Abschlusserklärung durch die COP-Präsidentschaft wird deutlich, dass ein entschiedenes Bekenntnis zur Abkehr von fossilen Brennstoffen bis zum Jahr 2050 und zur verstärkten Förderung erneuerbarer Energien vorliegt. Gleichzeitig argumentiert ein Editorial der Zeitung Nature, dass die Formulierung „transition away from fossil fuels“ (Übergang weg von fossilen Brennstoffen) im Vergleich zu dem strikteren Terminus „phase-out“ (Ausstieg) viel zu schwach ist und dass wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen, dass ein schnellerer Ausstieg unvermeidlich ist. Prof. Michael Mann, Klimatologe und Geophysiker an der University of Pennsylvania in den USA, sagte in einem Interview im Guardian, dass die Formulierung ein unzureichendes Engagement zeigt: „Das ist so, als würde man seinem Arzt versprechen, den Verzehr von Donuts langsam ausklingen zu lassen, wenn man an Diabetes erkrankt ist." Zielvereinbarungen für eine entfernte Zukunft zu treffen, ist zugleich kein neues politisches Mittel, um zunächst einmal eine gewissen Zufriedenheit zu verbreiten. Auch geben Formulierungen zur Kohlenstoffabscheidung und das Vorhandensein von „Schlupflöchern“ für fossile Brennstoffe wie Gas Anlass zu weiteren Fragen. 

Für uns als Nachhaltigkeitsforschende scheint es wichtig zu klären, ob die Aussagen der COP28-Präsidentschaft und anderer Akteure auf der COP in erster Linie darauf abzielten, ein bestimmtes Image zu pflegen, oder möglicherweise sogar die Aufmerksamkeit der Weltgemeinschaft in eine Richtung zu lenken, die nicht im Einklang ist mit dem tatsächlichen eigenen Handeln. Die Ambivalenz, die wir auf der COP in extremer Form erlebten, und wie wir sie auch aus zahlreichen anderen Arenen des Nachhaltigkeitsdiskurses kennen, warf für uns starke Kontroversen auf, welchen Aussagen und Ankündigungen tatsächlich Glauben und Vertrauen entgegengebracht werden kann. Das aktuelle Abkommen ist ein weiteres gutes Beispiel dafür. Fossile Brennstoffe sind endlich ausdrücklich in den Text aufgenommen und erwähnt worden. Zuvor wurden sie lange Zeit wie ein Elefant im Raum ausgeklammert. Gleichzeitig enthält der Text aber so viele Lücken, dass die eigentliche Arbeit des „Ausstiegs“ aus den fossilen Brennstoffen erst jetzt richtig beginnt und es bleibt abzuwarten, ob dies aufgrund der unterschiedlichen Interessenlage gelingen kann. Ein Forschungsansatz, der auf transparenten, datengestützten Erkenntnissen beruht, könnte dazu beitragen, die Diskrepanz zwischen erklärten Absichten und deren tatsächlicher Verwirklichung besser zu beleuchten und so das Vertrauen in ein gemeinsames Handeln für die globale Nachhaltigkeit zu stärken, insbesondere in Bezug auf die Bekämpfung und Anpassung an die globale Erwärmung.

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